Mit dem Zug von San Francisco nach NYC

Um von San Francisco nach Chicago zu gelangen, ist es nicht wirklich naheliegend, den Zug zu benutzen. Fünf Stunden im Flugzeug verglichen mit zweieinhalb Tagen und noch dazu höhere Kosten. Aber ich wollte ja gar nicht schnell und effizient sein, ich wollte einfach Zug fahren. Fahren und rausgucken – und zwar entspannt. Einfach dasitzen und lesen, essen, schlafen, aber meistens einfach rausschauen und beobachten, was da alles an mir vorbeizieht.

Der „California Zephyr“ startet nicht direkt in San Francisco sondern in Emeryville, etwas nördlich von Oakland. Ich hatte im Wagon 0631 die „Superliner Roomette“ 13 reserviert. Für zwei Personen mit zwei Schlafmöglichkeiten konzipiert, bin ich froh, dass ich alleine unterwegs war, denn zu zweit wären die ca. 1,9 qm für die Dauer doch etwas arg kuschelig gewesen. Zwei sich gegenüberliegende Sessel, ein Bett zum herunterklappen, viele Schalter, von denen die meisten nicht funktionieren, aber eine Tür mit Vorhang zum Zuschieben. Die Innenausstattung, ist, na ja, „in die Tage“ gekommen und abgenutzt, aber mit einer sehr luxuriösen Unterkunft hatte ich bei Amtrak nicht wirklich gerechnet. Frühstück, Lunch und Dinner sind im Preis inbegriffen und werden im Speisewagen serviert. Außerdem gibt es eine Sightseeing Lounge und noch ein Cafe. Kaffee und Wasser sind for free und immer verfügbar.

Amtrak betreibt 300 Züge täglich und verbindet auf 34,000 km Gleisen mehr als 500 Orte in 46 US Bundesstaaten und drei kanadischen Provinzen miteinander. 2012 beförderte Amtrak 31.2 Millionen Passagiere und beschäftigte mehr als 20,000 Menschen. Die Deutschen Bahn kommt aufs ungefähr Zehnfache dieser Zahlen in einem Land, das ein Dreißigstel so groß ist wie die USA. Das Auto ist doch die unschlagbare Konkurrenz in den USA und die weiten Entfernungen machen Zugfahrten oft ineffizient.

Der California Zephyr ist der berühmteste Zug Nordamerikas und verbindet San Francisco mit Chicago auf einer ca. 3900 Kilometer langen Strecke. Er fährt auf einer teilweise spektakulären Route durch sieben Bundesstaaten und auf dem höchsten Punkt auf einer Höhe von 2850 Metern. Seit 1949 wird diese Strecke benutzt, die noch teilweise auf der der ersten transkontinentalen Eisenbahnquerung durch die USA beruht. Die Wagons sind zweistöckig und oben spielte sich das richtige Zug-Leben ab. Alle Gäste des Zuges, auch die der normalen „Coach Class“ teilten sich den Speisewagen sowie die Sightseeing Lounge und das Cafe. Sehr angenehm ist die Sightseeing Lounge. Fenster von oben bis unten und super bequeme Drehstühle.

Die Strecke verläuft weitab einer großen Straße, mitten durch die Natur und höher am Berg und dadurch eröffnen sich Blicke, die jedem Autofahrer verwehrt sind. Nach Kalifornien kommt Nevada, dann Utah.  Dort ist es eher braun und verlassen, eine karge Landschaft aus Gebüsch, Sand und Steinen. Die Strecke führte nachts entlang des Südufers des Great Salt Lake, in südlicher Richtung ging es weiter nach Colorado.

Die Landschaft dort war umwerfend, speziell die Canyons entlang des Colorado River sind spektakulär. Von Grand Junction, dem Zusammenfluss von Colorado und Gunnison und der ehemaligen Heimat der Ute Indianer, fuhr der Zug auf steilen Rampen, durch viele Kurven, Canyons und zahlreiche Tunnel die Rocky Mountains hinauf. Flüsse, Gebirge, Bäume, Schnee – eine faszinierende Landschaft und sehr lange Strecken nur der Zug, keine Straße. Nördlich von Aspen und Vail gings bis zum 10 km langen Moffat-Tunnel, dem höchsten Punkt und dem Scheiteltunnel mit dem die Nordamerikanische kontinentale Wasserscheide unterfahren wird. Ein paar Kurven später dann das Ende der Rocky Mountains, plötzlich lag eine flache, schneebedeckte, endlose Ebene vor uns. Es ging durch die Great Plains, weites Prärie- und Steppenland, früher von den Indianern zur Bisonjagd genutzt, heute wird dort Viehwirtschaft betrieben. Bald darauf ein eher unspektakulären Stopp in Denver und danach landschaftlich wieder monotoner.

Tag 3: Allmählich kann ich schon einige Mitreisenden begrüßen, die Leute im Dining Car kennen mich, es wird familiär. Das Essen jedoch wird inzwischen mühsam, mal wieder was so richtig Frisches und Gutes wäre nett. Aber jetzt habe ich noch einmal Frühstück, einmal Lunch. Was fehlt ist Bewegung. Nur an den seltenen Raucher-Stopps darf man kurz mal raus aus dem Zug und sich für fünf Minuten die Beine vertreten.

Tatsächlich ist die Landschaft nach Denver nicht mehr sehr abwechslungsreich. Nebraska haben wir nachts durchquert und somit habe ich nicht viel gesehen von dem landwirtschaftlich geprägten Bundesstaat. In Iowa beginnt der mittlere Westen. Immer noch landwirtschaftlich bestimmt („Corn Belt“) wird es wieder etwas hügeliger, aber der Winter scheint lange gewesen zu sein, es sieht frostig aus draußen, noch nichts Grünes. Typische amerikanischen Kleinstädten tauchen entlang der Strecke auf und schließlich überqueren wir den Mississippi und sind in Illinois. Am frühen Nachmittag ist es dann soweit und wir erreichen Chicago, spektakulär zwischen den hohen Wolkenkratzern hindurch.

Erst als ich meinen Koffer durch Chicagos Penn Station rollte, wurde mir bewusst, wie geschafft ich war, und deshalb war ich wirklich froh, als ich in meinem Hotelzimmer ankam. Endlich Platz und eine warme Dusche!!! Es war ein toller Trip, ich habe es keine Minute bereut, aber es war nicht wirklich komfortabel und ich würde auf jeden Fall empfehlen, eines der größeren Schlafabteile zu nehmen. Auch wenn ich einige ältere Paar getroffen habe, die vollkommen zufrieden waren mit ihrer Roomette – ich fand es doch recht eng. Und auch wenn es in Kalifornien schon schön grün war und auch der Schnee in den Rocky Mountains seinen Charme hatte, muss ich doch jetzt zugeben, dass die Landschaft für den Rest der Reise im Mai oder Juni entzückender wäre. So ist alles doch oft noch recht braun und eintönig gewesen.

Chicago – New York

Am Donnerstagabend ging es dann weiter mit dem Zug Richtung New York. An Chicagos Union Station gab es einen komfortablen Warteraum und Schlafwagen Passagiere konnten auch etwas früher in den Zug gehen. Die Wagons waren diesmal einstöckig, das Abteil ein wenig grösser mit eigener Toilette und Waschbecken.

Obwohl diesmal das Bett breiter war und ich sogar vom Bett aus raussehen konnte, war die Nacht sehr unruhig. Irgendwie hoppelte der Zug mehr und außerdem war es recht kühl. Als es morgen wurde, waren wir schon einen großen Teil der Strecke Richtung Osten am Lake Erie entlang gefahren, hatten in die nächste Zeitzone gewechselt, Ohio passiert und streiften ein kurzes Stück von Pennsylvania. Während des Frühstücks erreichten wir bereits den Staat New York, den wir bis Albany von West nach Ost durchfuhren, um dann auf südlicher Route den Rest der rund 1500 Kilometer nach New York fortzusetzen.

Angesichts der etwas tristen Jahreszeit waren die Ausblicke leider nicht so spektakuläre wie beim California Zephir. Aber als wir den Hudson erreichten, wurde es durchaus stimmungsvoll und schon bald tauchte die New Yorker Skyline vor uns auf. Leider vollzieht sich die Einfahrt nach New York hauptsächlich im Tunnel und deshalb weit weniger spektakulär als in Chicago. Aber ich war da! Nach fünf Tagen und rund 5400 Kilometern im Zug hatte ich New York erreicht.